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4 – Regeln zur Transkription alter handgeschriebener Texte

Regeln zur Übertragung (= Transkription) von alten handgeschriebenen Texten in einen maschinenschriftlichen Text

Sehr geehrter Leser,

jeder, der erstmals vor alten handgeschriebenen Texten sitzt, wird kaum viel lesen können. Das Lesen dieser Texte ist aber kein Hexenwerk sondern eine reine Übungssache.

Vorweg: bitte sprechen Sie von „Übertragung“, „Textübertragung“ oder „Transkription“, nicht aber von „Übersetzung“. Eine Übertragung ist ein rein formaler Akt, eine Übersetzung ist eine inhaltliche Veränderung (z.B. in eine andere Sprache).

Natürlich ist niemand gezwungen, alte, handgeschriebene Texte nach einer bestimmten Weise in heutige Maschinenschrift zu übertragen. Aber wenn man sich an einige Empfehlungen hält, erleichtert dies die Arbeit mit diesen alten handschriftlichen Texten für einen selbst und für andere Forscher, auf deren Hilfe man evtl. bei Leseunsicherheiten angewiesen ist:

1. Es wird buchstabengetreu übertragen. Das heißt, wenn im Text „Thür“ steht, so wird auch in der Abschrift „Thür“ geschrieben und nicht zu „Tür“ oder gar „Türe“ verändert.

2. Dort wo im handgeschriebenen Text eine neue Zeile beginnt, beginnt auch im übertragenen Text eine neue Zeile. Damit ist sicher gestellt, dass man eine Textstelle bei längeren Dokumenten schnell wiederfindet, da man sich ausschließlich am Wort des Zeilenbeginns orientieren braucht. Zeilenbeginn in der Handschrift = Zeilenbeginn in der maschinenschriftlichen Übertragung.

3. Sind im Text Abkürzungen vorhanden, so werden diese – wenn möglich – aufgelöst. Die gemeinten, aber nicht im Text stehenden Buchstaben werden dabei so kenntlich gemacht, dass dem Leser der maschinengeschriebenen Fassung klar ist, bis wohin die geschriebenen Buchstaben im Originaltext gehen und ab wo die Ergänzung der Abk.[ürzung ] beginnt. Dazu verwendet man in aller Regel [eckige Klammern]. Ein Abkürzungspunkt steht in der Regel vor der eckigen Klammer. Abkürzungen in alten Texten werden auch häufig in der Wortmitte vorgenommen. Dort erscheint dann kein Abkürzungspunkt, sondern ein wie auch immer gearteter Haken oder eine Schlangenlinie. So wird beispielsweise das Wort „der“ auch als Silbe im Wortinneren oft mit dem Abkürzungszeichen geschrieben. Daher wäre das gemeinte Wort „andere“, welches nur als „ande“ zu lesen ist, als „and[er]e zu transkribieren. Ein geschriebenes „Chfrt.“ wäre als „Ch[ur]f[ü]r[s]t[lich]“ zu transkribieren. Beliebt sind auch Endungshaken in die Unterlänge oder Schnörkel in die Oberlänge. Diese Haken haben in aller Regel als Abkürzungszeichen den realen Sinnwert von Buchstaben und werden somit auch [in eckigen Klammern] transkribiert.

4. Groß- und Kleinschreibung: Dies ist eine sehr schwierig zu entscheidende Frage, die in jedem Einzelfall neu bewertet werden muss. Generell kann aber gelten: Wenn im Wortinneren ein zweifelsfreier Großbuchstabe erscheint, so ist auch in der Transkription dieser Großbuchstabe im Wortinneren zu verwenden. Handelt es sich um Zweifelsfälle, ob der Schreiber nun am Wortbeginn einen Groß- oder Kleinbuchstaben gemeint hat, so kann man sich nach der heutigen Schreibung richten. Verwendet der Schreiber zweifelsfrei einen Kleinbuchstaben, wo wir heute einen Großbuchstaben verwenden würden, so ist der Vorlagentreue gemäß auch in der Übertragung der Kleinbuchstabe zu verwenden. In vielen Fällen ist die Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinbuchstaben in den alten handgeschriebenen Texten nicht eindeutig.

5. Problem-Buchstabe „s“. In der Handschrift hat es zu früheren Zeiten verschiedene Schreibvarianten des „s“ gegeben. In unserer Maschinenschrift sind davon nur noch zwei unterschiedliche Zeichen übrig geblieben „s“ und „ß“.

Darüber hinaus hat es noch ein sogenanntes „langes s“ gegeben, was unserem heutigen kleinen Schreibschrift-f ähnelt: Mit einer Ober- und Unterlänge, teilweise mit Schlaufen geschrieben, teilweise nur als leicht schräg stehender Strich. Dann gab es das sogenannte „runde s“, auch „Schweineschwänzchen“ genannt, welches an unser heutiges kleines „o“ mit einer anschließenden ~ (Tilde) erinnert. Und genau dieser Endhaken, die Tilde in Verbindung mit dem gekringelten o-ähnlichen Zeichen erinnert an ein Schweineschwänzchen, daher diese Spitzname für dieses „runde s“. Daneben hat es in gewissen Textumgebungen auch das heutige „s“ als Schreibschriftzeichen gegeben (genau so wie der Tastaturbuchstabe aussieht), überwiegend bei Namen und lateinischen Fremdwörtern (z.B. Rechtsbegriffen, die innerhalb eines Textes verwendet werden.

Diese verschiedenen Zeichen für den Laut „s“ werden in der Regel mit dem heutigen Zeichen „s“ transkribiert. Ausnahme: handelt es sich um ein ß, so wird auch ß transkribiert, da dieses Zeichen offizieller Teil der deutschen Buchstaben ist. Problematisch kann sich ein „langes s“ erweisen, welches nur zu oft von einem ß kaum zu unterscheiden ist: Beide Zeichen (ß Und „langes s“) gehen über alle drei Schreiblinien (Unterlänge, Grundlinie, Oberlänge). Wenn man unbedingt will, kann das „lange s“ auf dem Computer dargestellt werden, in dem man die ALT-Taste gedrückt hält und gleichzeitig die Zahl 383 tippt. Allerdings ergibt die Einfügung dieses Zeichens ein sehr gewöhnungsbedürftiges Schriftbild. Die Regeln zur offiziellen Verwendung des „langen s“, des „s“ und des „ß“ wurde erst im späten 19.. Jahrhundert mit der Einführung des Rechtschreibdudens festgelegt. Davor gab es keine einheitlichen und allgemein anerkannten Rechtschreibregeln. Weder für die diversen Zeichen, die den Buchstaben „s“ meinen, noch für alle anderen Wörter. Man hat vor 1880 so geschrieben, wie man es gehört hat oder geglaubt hat es zu hören. Verhochdeutschungen hat es sicher auch hier und da gegeben, dürften aber erst ab der Säkularisation (1802/1803) häufiger auftreten. 

6. Verdoppelungszeichen: Manche ältere Leute schreiben bis heute oftmals Doppelbuchstaben (meist „m“ oder „n“)  in einem Wort nur ein Mal und markieren diesen Buchstaben mit einem darüberliegenden waagerechten Strich: So erscheint ein „Sommer“ dann als „Somer“, wobei über dem „m“ ein waagerechter Strich ist. Dieses Verdoppelungskennzeichen wurde früher bei fast allen Buchstaben, auch den Selbstlauten, verwendet. Im Laufe der Jahrhunderte wurde aus einem anfangs schräg stehenden Strich nach und nach ein waagerecht liegender. Hier gibt es unterschiedliche Handhabungsweisen in der Transkription: wenn man ganz genau sein will, müsste man diesen Verdoppelungsstrich als „nicht geschriebenen aber gemeinten Buchstaben“ werten und somit den zweiten Buchstaben in eckige Klammern setzen. Somit wäre dann ein „Somer“ mit Verdoppelungsstrich als „Som[m]er“ zu transkribieren. Da jedoch dieser waagerechte Verdoppelungsstrich bis heute lebendige „Schreibschrift“ – wenngleich stark rückläufig – ist, wird ein Verdoppelungsstrich meist als Doppelbuchstabe ohne eckige Klammer übertragen. Also „Sommer“ obwohl „Somer“ (mit Verdoppelungsstrich) im Text steht. Da sich auch der Duden darüber ausschweigt, kann die Empfehlung nur die sein, dass man es immer auf ein und die selbe Weise überträgt – wie, bleibt jedem selbst überlassen.

7. Erklärungen von heute, die der Schreiber so nicht gemeint hat: Aufgrund der teilweise altertümlichen Sprache kommt es regelmäßig vor, dass einzelne Begriffe von damals für uns heute unverständlich sind. Da wir buchstabengetreu transkribieren, kann es somit notwendig sein, Erklärungen in heutiger Sprache hinzuzufügen, damit der Text verständlich wird bzw. bleibt. Diese Hinzufügung, die der Schreiber nicht beabsichtigt hatte (anders als bei Abkürzungen: da hat der Schreiber ja das komplette Wort gemeint, es nur nicht komplett hingeschrieben), erfolgt in aller Regel in (runden Klammern). Damit ist jedem Leser klar: (Dies ist eine Erklärung, Verdeutlichung, Übersetzung). Gleichzeitig erkennt er aber auch, dass dies eine Abk.[ürzung] ist, selbst wenn er den handschriftlichen Text nie gesehen hat.

8. Lese- oder Textlücken
Hat der Schreiber im Text eine Lücke gelassen, weil er z.B. den Herkunftsort einer Person noch nachfragen und somit nachtragen wollte und ist diese Lückenfüllung ausgeblieben, so kann dies – wie oben beschrieben – durch einen Zusatz in (runden Klammern) erfolgen: Hans Maier von (Textlücke) und […]

Kann der heutige Leser des Dokumentes Wörter oder Teile davon nicht lesen, so kann dies mit einem entsprechend kurzen oder langen Unterstrich kenntlich gemacht werden. Hans Maier von ________ Landgericht ________

Damit weiß ein anderer Leser der Trankskription: Im Originaltext findet sich dort ein Wort, was aber derjenige, der die Transkription angefertigt hat, nicht lesen konnte. Kann man mehrere Wörter hintereinander nicht lesen, so empfiehlt es sich, je Wort einen Unterstrich zu verwenden: Hans Maier von _________  _____________ ____________

erscheint heute vor Gericht und __________  _____ er […] Die Länge der Unterstriche soll dabei etwa der Länge des Wortes im Originaltext entsprechen.

9. Transkription von Texten, die in Tabellenform erstellt wurden (jüngere Kirchenmatrikel)

Eine gewisse Schwierigkeit stellen Texte dar, die keine Fließtexte sind, sondern oft nur aus einzelnen Wörtern bestehen, welche in Spaltenform angeordnet sind. Im sogenannten Spaltenkopf steht dann, was in der jeweiligen Spalte zu erscheinen hat (bedenken Sie aber bitte, dass Abweichungen von Eintragungen gemäß Spaltenkopf jederzeit möglich sind).

Am übersichtlichsten dürfte folgende Methode sein, die sich im Übrigen auch in die oben genannten Regeln einpasst:

Man „dreht“ dabei quasi das Format von Senkrecht in Waagerecht. Dies erreicht man dadurch, dass man ale Zeile 1 die Spalte 1 definiert, Zeile 2 als Spalte 2, Zeile 3 als Spalte 3 etc..

Im Transkriptionsschriftbild sieht das dann so aus:

[(Text vom Spaltenkopf Spalte 1):] (Text von Spalte 1)

[(Text vom Spaltenkopf Spalte 2):] (Text von Spalte 2)

etc.

Die eckigen Klammern sind deshalb notwendig, da der Spaltenkopf und der Eintrag um den es letztlich geht, in aller Regel nicht untereinander stehen, sondern durch andere Eintragungen voneinander getrennt sind. Die eckigen Klammern deuten ja wie oben beschrieben an, dass der Text nicht in dieser Form an dieser Stelle steht (sondern eben früher, das heißt im Spaltenkopf).

Versuchen Sie sich bitte stets zuerst selbst an einem handgeschriebenen Text und liefern Sie Ihre Leseergebnisse (z.B. als WORD-Dokument) immer dem helfenden Forscherkollegen mit, das ist eine große Unterstützung auch für den, der Ihnen hilft. Er sieht dadurch, welche Kenntnisse Sie selbst haben und auf welche Ausdrücke und Schreibbesonderheiten er bei der Transkription (in runden Klammern) noch erklärungshalber eingehen sollte.

Am Beginn ist es mühsam, solche alten handgeschriebenen Texte zu lesen, mit zunehmender Übung fällt es aber immer leichter. Geben Sie nicht auf, es ist kein Hexenwerk, ausschließlich Übung. Übung, Übung und nochmals Übung.

Viel Erfolg bei Ihren Forschungen!